In der Käserei sind wir alle gleich
Als Familie Sadka aus Syrien nach Wenzenbach kam, hatte sie nur das Nötigste dabei – etwas Kleidung, ein wenig Erspartes und: kristallines Lab. Damit haben sie in ihrer Küche Käse für den Eigenbedarf hergestellt. Ihr Ziel: Aus eigener Kraft ein neues Leben aufzubauen. Mit Martin Sauerer hatten sie nicht gerechnet.
Die ersten Versuche der Familie, Käse in Deutschland herzustellen waren kläglich gescheitert, weil es mit der pasteurisierten Milch aus dem Supermarkt einfach nicht klappen wollte. So sind sie an Martin Sauerer geraten, der eine Landwirtschaft mit 20 Milchkühen in Bernhardswald bewirtschaftet. Von ihm bezogen sie fortan die Milch und es dauerte nicht lang, da wurde er in die Familie eingeladen, um zuzusehen, wie sie ihren Käse mit einfachsten Mitteln produzieren.
An dieser Stelle trafen zwei Umstände zusammen, die jeder für sich betrachtet eher nicht in Richtung Erfolg deuteten: Familie Sadka ging das kristalline Lab aus und Martin Sauerer betrieb eine auslaufende Landwirtschaft und wusste nicht so recht, wie es mit dem Betrieb weitergehen sollte. Aber die Tatsache, dass jemand in ein fremdes Land auswandert und als eines der wenigen Dinge ausgerechnet kristallines Lab mitnimmt, hat ihn sehr berührt. „Da musste ich mein eigenes Wertesystem überdenken“ sagt er. Martin Sauerer hat sich daher intensiv damit beschäftigt, welche Rolle Käse in der syrischen Ernährung spielt, welche Varianten es gibt und wie er hergestellt wird. Die Idee, ein traditionelles, syrisches Grundprodukt herzustellen, das man zu acht weiteren Käsesorten weiterverarbeiten kann, hat ihn fasziniert.
Damit war der Grundstein gelegt, den Hof für die Käseproduktion umzugestalten. Die handwerkliche Seite der Milchverarbeitung hatte Martin Sauerer immer schon fasziniert. Mittlerweile hat er den Stall umgebaut und mit der Hilfe von Imad Sadka angefangen, auf dem Hof syrischen Käse zu produzieren.
Zu Beginn haben sie mit kristallinem Lab und Rohmilch gearbeitet, wie es die syrische Tradition vorgibt. Das klappte anfangs auch gut, allerdings stellten sich dann immer mehr Schwierigkeiten ein. Teils waren sie darauf zurückzuführen, dass in Bayern nicht die selben Temperaturen herrschen, wie in Syrien, andererseits war das kristalline Lab, das sie aus Rumänien bezogen hatten, nicht mehr zu bekommen. Sie haben daher auf flüssiges Lab und pasteurisierte Milch umgestellt. Dies erwies sich anfangs auch nicht als einfacher, weil sie zu viele Parameter gleichzeitig verändert hatten. Mittlerweile haben sie mit Hilfe von Kursen beim VHM, einer Kulturenberatung durch IP Ingredients und viel Übung wieder an Sicherheit gewonnen. Ein bisschen liebäugeln sie immer noch damit, wieder auf kristallines Lab umzustellen, aber das bleibt vorerst Zukunftsmusik.
„Zu Anfang so eines Projekts gehen die Ideen in alle Richtungen“, berichtet Martin Sauerer, „aber dann holt einen doch der Alltag ein“. Imad Sadak hat aus der wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus eine Ausbildung begonnen und somit hat er nur wenig Zeit für die Käserei. Dazu kamen die Veränderungen, die Corona mit sich bringt.
Früher haben sie hauptsächlich Gastronomie beliefert – mittlerweile produzieren sie in erster Linie für die private Kundschaft, die auf den Hof kommt in den „Fabrikverkauf“ wie Martin Sauerer es mit einem Augenzwinkern selbst bezeichnet. Die Kunden kommen zu ihm, ohne dass er gezielt Werbung macht. Er bietet hauptsächlich Labneh an, das dem nordischen Skyr sehr ähnlich ist. Und gerade diese Ähnlichkeit hat es Martin Sauerer so angetan: „Es ist egal, wo man herkommt. Letzten Endes stehen wir alle in der Käserei und haben mit dem selben Problem zu kämpfen: wir haben ein verderbliches Produkt und das soll bitte sehr haltbar werden. Das verbindet die Menschen überall auf der Welt.“
Kontakt
Martin Sauerer
Reiting 38
93170 Bernhardswald
Tel.: 09408 - 361
almdudler3000@web.de
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